Ascheri Barolo Sorano 1997

Weh-Weh-Weh Willis Wein Werkstatt



Heute auf der Hebebühne: Ascheri Barolo Sorano 1997

„You are in deep shit!“ Three Finger Joe blickte mich mit diesem gewissen Gesichtsausdruck an. Der vor allem deswegen ein „gewisser“ Gesichtsausdruck ist, weil er gewissenhaft Gewissenlosigkeit zum Ausdruck bringen soll. Klar, Three Finger wollte mich einschüchtern. Deswegen auch das Englische. An sich stammt der Mann aus der Südpfalz und heißt auch nicht Joe, sondern Johannes. Aber das Englische, so sagte er mir, als wir noch on German speaking terms waren, das benutze er, um seine Kunden einzuschüchtern. Mit anderen Worten, ich war jetzt Kunde. Und damit in deep shit. Nicht gut!

Three Finger, das war mal ein guter Kollege, wir haben Anfang der Neunziger gemeinsam die Parteispenden vom Bimbeshelmut eingesammelt. Aus der Zeit hat Joe auch seinen Spitznamen. Er hatte etwas zu tief in die schwarzen Kassen des schwarzen Riesen gegriffen, wollte sich dessen Portemonnaie aus des Kanzlers Gesäßtasche „ausleihen“. Just als Helmut sich hinsetzte – und schwupp waren zwei Finger abgeklemmt.

Danach ging es bergab mit Joe. Erst Türsteher am Hosenladen, dann Gleisarbeiter an der schiefen Bahn. Schließlich der vorläufige Tiefpunkt, seit zwei Jahren steht er nun schon in Diensten der italienischen Weinmafia. Und nicht wenige behaupten, er habe seine drei restlichen Finger im Spiel gehabt, als Vito Schorle-one von Al Ca-Rhône umgenietet worden ist.

Zeit gewinnen, das war erstmal das Wichtigste. Ich fragte: „Three Finger, um der alten Zeiten willen, bevor Du mir Maßschuhe aus Beton anpasst, erkläre mir wenigstens, was Don Al mir vorwirft!“ „Igel, Igel, das müsstest Du doch als erster wissen. Der Don ist ungehalten. Very ungehalten sogar. Du hast auf diesem Blogg von diesem Typen, diesem Scheff, geschrieben, dass Ascheri im Piemont den Leuten ein Angebot macht, das man kaum ablehnen kann. Du hast verraten, dass die noch 1997er Barolo verkaufen! Und jetzt gibt es nicht mehr genug davon für den Don!“

Oha, das war so ziemlich das Schlimmste, was einem passieren konnte. Die Barolo-Omerta gebrochen zu haben. Da reden wir nicht mehr von Bagatelldelikten. Ausplaudern, dass Schröder sich die Haare tönt, erzählen, dass die britische Herzogin Brüste hat, oder sowas. Langsam machte sich Panik in mir breit. Was tun? Bei Nacht und Nebbiolo über die Grenze? Sinnlos, Three Finger würde mich überall finden. Verzweifelt blickte ich mich um.

„Lass uns in den Keller gehen und die Sache dort erledigen, Joe!“, bat ich leise, „Dann kriegt es die Igelin wenigstens nicht mit. Halte sie aus der Sache raus!“ Ich zitterte innerlich, ob Joe sich darauf wohl einlassen würde. „OK, Igel, but hurry up!“ Ich atmete durch. Auf der Kellertreppe pfiff ich leise vor mich hin, drei Töne nur, das vereinbarte Alarmsignal.

Und, Glück gehabt, mein treuer Assistent hatte aufgepasst. Plötzlich stand er vor uns, mit durchgeladener Magnum. Eigentlich war es sogar eine Doppelmagnum. Rieslingsekt von Van Volxem. „Joe, darf ich vorstellen, das ist mein engster Mitarbeiter: Saarface. Der übrigens so heißt, weil er jeden Abend eine Zweiliterkaraffe Kanzemer Altenberg schlürft. Er würde sicher nur sehr ungern den Korken aus dieser erstklassigen Flasche abschießen.“

Ein klassischer stand-off, um es einmal in Joes Jargon zu verpacken. Es dauerte nur wenige Minuten, dann hatte ich Joe davon überzeugt, dass wir nicht gegeneinander, sondern besser miteinander arbeiten sollten. Zur Bekräftigung öffneten wir einer der Flaschen aus dem Hause Ascheri, einen 1997er Barolo Sorano. Und da waren wir uns dann ganz schnell einig:

Erst einmal schlank in der Nase, fast verschlossen. Aber schon nach fünf Minuten ist er voll da, explodiert in eine fast burgundisch-leichte Nebbiolo-Fülle. Großartig! Mit die schönste Barolonase, die ich je mit meiner Igelschnauze gewittert habe!

Am Gaumen sehr samtige rote Frucht. Hier dauert das Öffnen, das in der Nase so raketenschnell passierte, deutlich länger. Straff, extrem mineralisch zeigt er sich erst einmal, ungemein dicht, kraftprotzig, köperreich und wenig bereit, über Gefühle zu reden. Ein Männerwein also. Schiefrig, ungemein voll, noch sehr, sehr viel Tannin, das aber einen eher weichen Charakter hat, feinkörnig, leicht zartbitterschokoladig. Braucht noch viel, viel Zeit, endlich mal ein 1997er, der langsam reift. In diesem Reifestadium weist er noch nicht die allergrößte Fülle auf, steht noch sehr auf Mineralik und Tannin, besticht aber irgendwie trotzdem schon mit einer großen Finesse.

Mit mehr Luft zeigt er dann, was noch alles in ihm steckt und warum er uns noch viele Jahre große Freude machen wird – jetzt kommt eine heidelbeerig-pflaumige Frucht heraus, auch noch mehr Schokolade, ein wenig Lakritz und eine fleischextraktige Würze, plötzlich zeigt er deutlich mehr Facetten und mehr Spiel.

Großartige Länge, mit interessanten Noten von Kräutern in der Mitte! Und quer durch den Abgang hindurch bleibt er voll und fest, erst ganz am Ende verschlankt er sich ein klein wenig. Nach einer Stunde ist aus dem Männerwein dann ein regelrechter Verführer geworden, das Fruchtkonzert ergänzt sich um Kirschnoten und sogar einen leicht himbeerigen Touch. Immer voller und feiner wird er.

Und: Bei aller Kühle und Maskulinität im Anklang ist das am Ende doch ein grandioser Charmebolzen. Übrigens ganz wie mein neuer Mitarbeiter und Freund Three Finger Joe, der sich nach dem völlig unvorhergesehenen Ableben Al Ca-Rhônes jetzt in die Dienste von Willi „The Sting“ Igel gestellt hat. Womit dann auch klar ist, für wen die restlichen Flaschen bei den Ascheris reserviert sind!

92 von 100 Willipunkten

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