Besuch im Le Griffonier, Paris


Weh-Weh-Weh Willis Hausbesuche

Heute zu Gast in Paris – Le Griffonier

Meine Geheimtips in Paris? Nee, die verrate ich nicht. Wo kommen wir da denn hin? Soll ich hier etwa das Regalade erwähnen? Wo es gehobene Bistroküche zu konkurrenzlos günstigen Preisen gibt? Nie im Leben! Oder ausplaudern, dass es im Astrance, dem Dreisternetempel an der Rue Beethoven, mittags für 80 Euro ein großartiges viergängiges Menü gibt, unglaublich preiswert für eines der drei derzeit besten Lokale der französischen Hauptstadt, wenn nicht des gesamten gallischen Hexagons? Kommt nicht in die Tüte, das Astrance ist winzig und wenn sich das herumspricht, bekomme ich da nächstens keinen Tisch mehr. Nicht einmal das Baratin in der Rue Jouye Rouve oben im Chinesenviertel werde ich hier nennen. Wo es dort doch die Madame versteht, aus einer winzigen Küche wunderbar schmackhafte Kleinigkeiten in großer Vielfalt auf den Teller zu bringen. Während der chaotische Monsieur keine Weinkarte schreibt, sondern einfach ein paar Bouteillen aus dem Keller hervorkramt, die mit tödlicher Sicherheit zu dem passen werden, was seine Frau auf die Teller zaubert. Könnte man eigentlich fast schon aufschreiben, denn wer findet schon die Rue Jouye Rouve, da oben in Belleville an der Metro Pyrenées, mitten zwischen chinesischen Porzellanläden und Telefonkartenhändlern?

Aber gut, einen Geheimtip gibt es dann doch, der Weinigel hat ja heute seinen großzügigen Tag. Also sprechen wir über den Griffonier, diese beste aller Pariser Weinbars. An der Rue des Saussaies gelegen, nur einen Hinkelsteinwurf von den Champs Elysees entfernt. Gleich um die Ecke vom Elyseepalast, wo der französische Präsident residiert, aktuell noch unser Petit Nicolas.

„Was heißt eigentlich Griffonier?“ wird der geneigte Leser fragen, der vielleicht noch den Griffon kennt, wie sich der Vogel Greiff in Gallien nennt. Doch der Griffon, das ist auch ein Jagdhund, vielleicht heißt er so, weil er die erjagte Beute aufgreift und apportiert? Warum man das zum „Griffonier“ verballhornt hat? Rätsel der Menschheit. Ich apportiere mir dort jedenfalls gerne mal ein Hörnchen Wein. An der Bar, fast im Vorbeigehen. Die Auswahl ist groß und gleichzeitig sehr erlesen.

Früher gab es dort vor allem eine sensationelle Auswahl von Crus aus dem Beaujolais. Und zwar auch schon zu der Zeit als in Deutschland wie in Frankreich der Beaujolais Nouveau – bei uns auch Primeur genannt – noch für das gruselige Image des Anbaugebietes im Süden der Bourgogne zuständig war. In Deutschland wusste man damals gar nicht, dass das Beaujolais daneben auch noch recht anständige Rotweine mit größerem Reifepotenzial hervorbrachte. In Frankreich wussten es zumindest die Kunden des Griffonier, denn da wurden St.-Amours, Julienas, Morgons und Moulin à Vents der allerersten Güte ausgeschenkt. Zum verträglichen Preis, der damalige Patron hatte so seine Schnäppchen-Adressen. Und es gab Tage, da waren exzellente Crus aus allen zwölf Beaujolais AOCs im offenen Ausschank.

Der heutige Patron hat nicht nur den Griffonier übernommen, sondern auch die geheimen Einkaufsadressen seines Vorgängers im Beaujolais. Gleichzeitig wurde mit dem Inhaberwechsel die Weinkarte erweitert und hat man andere Regionen des französischen Vignobles mit in die Liste der offenen Weine aufgenommen. Beispielsweise gibt es fast immer den Sancerre MD von Henri Bourgeois – und zwar aus dem ganz aktuellen Jahrgang. Endlich mal ein Loire-Sancerre, der in seiner jugendlichen Frische etwas mehr Schmelz, etwas mehr gelbe Frucht und etwas mehr von einer kräutrigen Fruchtsüße mitbringt als die eher grasig-grünen Traditionalisten aus Sancerre und Pouilly das sonst so an den Tag legen. Auch sehr gut ausgesuchte kleine bis mittelgroße Bordeaux gibt es offen. Von der Flaschenkarte mal ganz zu schweigen. Die weist auch große bis größte Erzeuger aus dem gesamten Hexagon aus, natürlich fast nur aus guten bis besten Jahrgängen. Das gipfelt in einem Romanee Conti für die Kleinigkeit von 8.000 Euro.

Den nimmt man dann aber nicht ambulant zu sich, sondern mit einem guten Essen. Und damit kommen wir zur Speisekarte des Griffonier. Nur das Beste ist gut genug, das Brot kommt vom vermutlich besten Bäcker der Hauptstadt, Poîlane. Die Käse stammen wie selbstverständlich vom besten Affineur des Landes, Alléosse. Wenn ich mir nicht vorgenommen hätte, hier keine Geheimtips aufzuschreiben, würde ich wahrscheinlich an dieser Stelle den kleinen Hinweis fallen lassen, dass Alléosse im 17. Arrondissement in der rue Poncelet gar nicht weit vom Triumphbogen auch ein kleines Ladenlokal mit einer gigantischen Auswahl bester Käse betreibt.

Aber zurück zum Griffonier, wo man Poîlane-Brot und Alléosse-Käse wunderbar kombinieren kann, wenn man entweder die große Käseauswahl ordert, oder eine Tartine mit Käse.

Tja, eine Tartine, das ist in der wörtlichen Übersetzung eigentlich nichts anderes als ein Butterbrot. So profan geht es im Griffonier natürlich nicht zu, es gibt gepflegte Kombinationen aus würzigem Brot und allerlei Belägen, von der First Class mit Iberico, über die Business Class mit Parmaschinken und San Daniele bis zu den herrlich rustikalen Rillettes der Economy. Und natürlich sind auch warme Tartines in Programm, zum Beispiel mit Ziegenkäse überbacken.

Die Tartine ist mehr ein Snack als ein richtiges französisches Essen. Die ordert man, falls man am Nachmittag im Griffonier aufschlägt und den hohlen Zahn füllen muss. Mittags gibt es neben den Butterbroten immer eine Tageskarte mit zwei bis drei Vorspeisen, zwei bis drei Hauptgerichten und zwei bis drei Desserts. Alles tagesfrisch, alles großartig und alles alles andere als billig. Die Nähe des Präsidententhrons im Elysee lässt auch die Preise in schwindelnde Höhen steigen. Doch jeder Cent ist gut angelegt, die Küche bewegt sich auf hohem Niveau. Würde man nicht bewusst bescheiden aus der Liste der Bistrogerichte zitieren, wäre wahrscheinlich sogar ein Stern in Reichweite.

Neben den Tagesgerichten lockt eine Auswahl von Klassikern, arrondiert mit dem einen oder anderen Salat und anderen Kleinigkeiten für die linienbewusste neue Flamme des Präsidenten von nebenan. Auch das ist neu. Der alte Patron hatte sich noch auf seine Tageskarte beschränkt. Sein Nachfolger gibt sich mehr Mühe und hat damit das schier unglaubliche Kunststück vollbracht, die Zahl der Stammkunden noch weiter zu erhöhen.

Mit dem Ergebnis, dass es nunmehr nahezu unmöglich ist, zwischen 12:00 und 13:30 Uhr ohne Reservierung einen Tisch zu ergattern. Überhaupt, die Öffnungszeiten… Abends ist ebenso geschlossen wie an den Wochenenden. Der Griffonier lebt allein vom Mittags- und Tagesgeschäft. Zwischen 11:00 und 19:00 Uhr öffnet er seine Pforten, von Montag bis Freitag. Immerhin ist unter der neuen Leitung nicht mehr während des gesamten Augusts geschlossen. Ein kleiner Fortschritt.

Ach, wenn ich es mir recht überlege, behalte ich diese Adresse vielleicht doch besser für mich!

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