Champagne Egly Ouriet, Blanc de Noirs, Grand Cru




Weh-Weh-Weh Willis Wein Werkstatt

Heute auf der Hebebühne: Champagne Egly Ouriet, Blanc de Noirs, Grand Cru

Ziemlich genau 0.125 Liter Champagner trinkt der Deutsche pro Jahr im statistischen Mittel. Ein ordentlich eingeschenktes Glas. Lohnt sich also kaum, sich mit dem Thema Champagner zu befassen, oder? Zumal der größte Teil des in Deutschland verkauften Champagners auf die „Cuvées Génériques“ entfällt, die Standardcuvées der großen Erzeuger. Und die sind so etwas wie das Miracoli unter den Schaumweinen. Plumpe Plempe, Massenware ohne jede Finesse. Das kommt bei mir weder in den Magen, noch auf die Hebebühne, das kommt entweder in die Suppe, in die Sauce oder im Fall Pommery auch schon mal in den Ausguss.

Moet – der Meistgekaufte – ist auch so ein Fall. Vor zwanzig Jahren kostete eine Flasche des Brut Imperial, der Générique aus diesem Haus, so um die 30 DM. Damals ein ganz anständiger Sekt. Darüber gab es nur noch zwei Steigerungen: Für ungefähr 60 DM einen sehr feinen Jahrgangsmoet und irgendwo in den allerhöchsten Sphären um die hundert, hundertzwanzig Märker schließlich den zumeist wirklich fabelhaften Dom Perignon. Irgendwann erfand man bei Moet den „Premier Cru“. Zwischen Brut Imperial und Jahrgangsmoet angesiedelt. Klar, wie man den zustande brachte – der Générique wurde das hochwertigere Traubenmaterial entzogen. Das war an der Qualität zu merken, die ging deutlich bergab. Macht aber nicht, dafür hob man die Preise aller Champagner des Hauses an. Auch den der Cuvée Générique. Der Brut Imperial wurde also gleichzeitig schlechter und teurer, so an die 40 DM kostete er nach der Operation – kurz vor der letzten Währungsreform. Die trieb den Preis dann recht zügig auf 35 Euro, noch einmal fast eine Verdopplung, weil die Nachfrage nach Champagner angesichts des rapide wachsenden Durstes in den Schwellenländern insgesamt anstieg. 35 Euro für einen höchst mittelmäßigen Massenchampagner, klingt irgendwie wenig verlockend.

Tja, und die Herrschaften bei Pommery, bei Mercier, bei Vranken, bei Heidsieck, bei Lanson und Co. machen es nicht wirklich besser. Auch Veuve Cliquot, Bollinger und Taittinger liegen qualitativ nur knapp darüber. Lediglich einige Aufrechte wie Laurent Perrier, Roederer, Deutz, Pol Roger und Gosset schaffen es, auch bei Génériques in relativ hoher Auflage sehr gute Qualität auf die Flasche zu ziehen. Erstaunlicherweise liegt der Preis dieser Tropfen nicht wirklich höher als bei der Konkurrenz.

Dennoch, es gibt deutlich preiswertere Alternativen. Die Suche nach Neuentdeckungen lohnt allemal. Vor etwa zwanzig Jahren machten sich Duval-Leroy und Billecart-Salmon einen Namen. Damals noch sehr günstig zu haben, heute auch preislich fast auf dem Niveau der Etablierten. Bei noch immer ausgezeichneter Qualität. Kleinere Häuser wie Talmont, Larmandier, Larmandier-Bernier bringen ebenfalls großartige Champagner auf die Flasche. Vor Ort sind die Génériques dieser kleinen Erzeuger noch immer für um die zwanzig Euro zu haben. Und sie sind für gut das halbe Geld nicht nur nicht schlechter als die Moets und Pommerys dieser Welt, sondern deutlich besser. Schade nur, dass es sich kaum lohnt, für das gut eingeschenkte alljährliche Glas aus der Statistik extra in die Champagne zu fahren.

Mein ganz persönlicher Favorit unter den Winzerchampagnern ist derzeit Egly Ouriet. Ein kleineres Haus in Ambonnay, gar nicht auf großen Kundenverkehr eingestellt. Im Verkauf auch nicht immer ganz auf Ballhöhe. Besonders werbend tritt man nicht auf, eher mit herbem Charme. Und das Bezahlen mit deutscher Kreditkarte kann hier noch zu einem der letzten Abenteuer der Menschheit werden. Vor allem wenn der schon etwas ältere Schwiegervater die Abbuchung in die Hand nimmt.

Aber spätestens nach dem ersten Probierschluck hat der Kritikaster Pause. Der Vignes de Vrigny, die Générique des Hauses, natürlich Brut ausgebaut, geht für 24 Euro über die Theke – und liefert dafür einen unglaublich vollen, tiefgründigen Champagner, cremig, dicht und sehr lang. Vielleicht das beste Preis-Leistungsverhältnis, das man derzeit in der Champagne finden kann. Darüber gibt es einen Brut Extra für etwas über 30 Euro, ebenfalls ein Klassetropfen. Und als Spitzencuvée einen Blanc de Noirs Grand Cru, der liegt bei etwa 60 Euro und spielt ohne Wimpernzucken in der Championsleague der Champagne mit. Vor Cristal, Dom Perignon und anderen großen Namen muss er sich nicht verstecken. Nur der Rosé von Egly Ouriet sagt mir nicht so zu – da sind Gosset, Perrier-Jouet und andere mindestens zwei Nasenlängen vorn.

Heute gönnen wir uns mal etwas Gutes, der bestandene Stresstest von Stuttgart 21 muss stilvoll begossen werden. Bahnhöfe werden schließlich nicht alle Tage beerdigt. Wenn doch nur der Rest der Bahn gleich mit in die/den Grube führe. Also lasse ich einen Korken des Blanc de Noirs in den Abendhimmel steigen. Bevor der Champagner ins Glas kommt, schon ein sehr erfreuliches Detail am Rande: Egly-Ouriet schreibt das Datum des Degorgements und die Dauer der Flaschenreifung auf die Flasche. Sehr schön, bevor man so einen Ausländer aus der Champagne, so einen Migranten, zu sich ins Haus einlädt, ihn sogar die guten Gläser benutzen und benetzen lässt, will man ja vorher ein wenig wissen, mit wem man es da zu tun hat. Mein Grand Cru hat ausweislich seiner Papiere 34 Monate auf der faulen Haut in der Flasche gelegen und ist erst im August 2009 vermittels Degorgement aus dieser Lethargie befreit worden.

Extrem charmante Nase, sehr feine Toast- und Briochenoten. Nicht dieses Backtriebmittelbrioche von Golden Toast, dieses Verbrechen am Weinigelgaumen, nein, Konditorbrioche, hefig, mehlig, leicht nussig-mandelig. Wirkt schon recht reif für 20 Monate Degorgement, doch ohne Alters- oder gar Firnetöne.

Am Gaumen hochelegant, extrem harmonisch, wunderbar cremig, auch hier mit einem leichten Reifeton, der den Champagner noch etwas komplexer macht, weil er die Frucht und die Brioche nicht erdrückt, sondern ergänzt. Und Frucht ist reichlich vorhanden – Agrumes, leicht süßliche Zitrone, etwas Apfelsine, eine Spur Quitte. Buttrig, briochig, ungemein kraftvoll. Im Abgang erst eine kleine Spur leichter, doch mit mehr Luft geht er ab wie die Fuentes-Kunden im Bergzeitfahren bei der Tour de France. Richtig groß, ewige Länge, dabei sehr komplex, tiefgründig, hochelegant. Richtig schön vollmundig, Eleganz und Saft, Reife und Finesse, in den könnte man sich glatt verlieben. Selten habe ich einen sooo langen Champagner probiert. Der mit Luft über den Abend hinweg immer besser wird. Wunderbar röstig und schmelzig im Finale, dicht und sehr druckvoll. Viel besser geht das nicht.

97 von 100 Willipunkten

Toll – an einem Abend habe ich jetzt mein statistisches Champagnerquantum gleich für sechs Jahre erschlagen. Wenn ich in meiner internen Statistik richtig mitgezählt habe, waren es die Jahre 3597 bis 3602.

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