2009er Künstler Riesling QbA



Weh-Weh-Weh Willis Wein Werkstatt

Heute auf der Hebebühne: 2009er Künstler Riesling QbA trocken aus der Literflasche

Was ist nur los in diesem Jahr? Die Großen dieser Welt werden schneller gekippt als ein randvolles Glas Vega Sicilia von Bio bei Alfredissimo. Selbst auf den Adel ist kein Verlass mehr, erst kupfert er, dann tritt er ab. Nur „the curly colonel“ Ghadaffi (Tom Clancy) in Libyen hat offenbar einen etwas längeren Abgang. Ein Abgang mit unschönen Noten von Blut, Schweiß und Tränen.



In diesen revolutionären Zeiten muss auch der Weinigel mit den Wölfen heulen. Heute gibt es demnach keinen Grand Cru, sondern einen bodenständigen Wein. Den Cru Bourgeois des deutschen Weinbaus, den Liter-QbA. Natürlich Riesling. Und natürlich, Bourgeoisie verpflichtet, einen Künstler-Wein.

Mit dem Weingut Künstler habe ich ja über die Jahre so meine emotionalen Höhen und Tiefen durchgemacht. Angefixt wurde ich von der trockenen Auslese aus der Hochheimer Hölle von 1993. Ein Wein von unfassbarer Tiefe und Opulenz, der im Zeitlupentempo reifte, so dass gut gelagerte Flaschen auch nach 15 Jahren noch ungemein jugendlich wirkten. Sowas macht Lust auf mehr. Also ging ich an die trockenen Auslesen aus Hölle und Kirchenstück aus 1998 und 1999. Allesamt großartige Weine und zum Teil heute noch ein Hochgenuss. Wobei die Hölle aus 1998 die Mitstreiter noch einmal eine Meile hinter sich lässt. Fast perfekter Wein! Leider konnte das Gut für meine Begriffe dieses Niveau in den an sich hervorragenden Jahren 2001 und 2002 nicht ganz halten. Auch 2004 und 2005 war ich nicht so begeistert – die Tiefe, die Harmonie, die Eleganz fehlten mir ein wenig. Vereinzelt fand ich die Weine etwas bitter, vielfach im Vergleich zu den großartigen Tropfen der neunziger Jahre auch einfach nur etwas zu vordergründig. Sie reifen auch leider nicht mehr so gut wie früher.

Jammern auf hohem Niveau, na klar doch. Zumal der Rheingau insgesamt in den letzten zehn Jahren schwierige Zeiten durchmacht. Der Stil, den Kühn seit etwa 2003/2004 verfolgt ist nicht meiner, ähnlich geht es mir mit den Breuer-Weinen, die seit dem Tod des Winzers sogar noch weiter nachgelassen haben. Schloss Vollrads und Kloster Eberbach schöpfen in meinen Augen das Potenzial ihrer großen Lagen nicht ansatzweise aus, auch Wegeler könnte bessere Weine machen. Und selbst Schloss Johannisberg rechtfertigt für mich in manchen doch sehr mageren Jahren (wie 2008) nicht wirklich das sehr gediegene Preisniveau. Nur Robert Weil hat in den vergangenen Jahren deutlich zugelegt und inzwischen seine Literweine und die anderen kleineren Gewächse auf sehr beachtliches Niveau gebracht ohne deswegen im Bereich Auslese aufwärts Einbußen erlitten zu haben.

Aber bleiben wir bei Künstler. 2009 könnte für das Gut das Jahr einer kleinen Widerauferstehung sein. Alle trockenen Rieslinge, die ich bisher probieren konnte, erschienen mir sehr überzeugend. Auch die Kabinette aus Kirchenstück und Hölle haben ein erstaunliches Niveau. Offenbar auch ein Fall von Kabinettsumbildung, denn 2008 kamen die Kabinette noch deutlich flachbrüstiger daher.

Nun also vor mir im Glas der QbA trocken 2009 aus dem halben Doppler. Mit sehr feiner Nase – vollreife Ananas, dazu Zitrone und etwas Lindenblüten, das Ganze auf einem erdig-mineralischen Fundament. Erstaunlich differenziert und erfreulich viel Stoff für einen QbA!

Am Gaumen kommt er ungemein cremig daher, zugleich sehr fruchtsaftig, auch hier wieder dominiert von der Ananas, die auch im Mund von einem leicht zitronensäuerlichen Einschlag begleitet wird. Dazu tritt noch ein wenig leicht konfitierte Aprikose auf den Plan. Die Cremigkeit und eine trotz der eindeutig trockenen Stilistik erstaunlich persistente Süßnote im Fruchtsaft lassen ihn regelrecht sexy erscheinen, ein Charmebolzen, der durchaus Druck und Tiefe mitbringt. Eine prima Länge hat er obendrein, wenn man auch einräumen muss, dass er hinten heraus eine Spur schlanker wird. Lässig 85 bis 86 von 100 Willipunkten, ich weiß nicht, wann ich das schon einmal einem QbA zugebilligt hätte. Aber es sind nun einmal Revolutionszeiten. Zum Glück werden in den meisten der betroffenen Staaten bisher vorwiegend Bouteillen geköpft. So sollte es auch bleiben!

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